Eine Eule fangen oder mehrere davon nach Athen tragen, das kann manchmal sehr erheiternd sein.

 

Plötzlicher Wind von vorn oder etwas irgendwohin bringen, wo dieses schon im Überfluss vorhanden ist: ein Förderspiel. Das kennen wir doch alle. Wie würden Sie die Sache angehen? Inzwischen, auf jeden Fall nicht mehr, indem ich einen Artikel über mangelnde Förderung schreibe. Das machen bereits andere. Es verwundert mich, dass du vom Leben erwartest, dass jeder wie in einem Wettbewerb belohnt wird nach seinem Verdienst, und dass du immer um Erlaubnis fragen willst, und dass du ganz still die Kultur die Regeln und die Klassenbesten respektierst. Selbst deine Verbundenheit mit deinen großen kritischen Intellektuellen und ihre Ablehnung des Spektakels sind von dieser Liebe zur Schulerziehung geprägt. Die prekäre Einstellung und Anprangerung, das ist nun wirklich keine Grundlage für eine systemrelevante Kritik. Trotzdem hast du immer so eine künstlerkritische Haltung. Meine an die Tradition der Arbeiterbewegung anschließende Sozialkritik war aber keineswegs die einzige Form der Kritik, die diese Protestbewegung anfachte. Mit dir betrat auch eine ganz andere Form der Kritik die gesellschaftliche Bühne, die ich als Künstlerkritik bezeichnen möchte. Während ich primär auf die Lösung sozioökonomischer Probleme durch Verstaatlichung und Umverteilung ziele, kreist du um ein Ideal der individuellen Autonomie, der Selbstverwirklichung und der Kreativität. Damit bringe ich jetzt mal deine Verankerung im Milieu der Bohème zum Ausdruck.

Aber gefördert wirst du immer zu wenig. Davon kannst du nie genug haben. Förderung trifft eben nicht jeden. Und andere trifft sie mitten ins Herz. Da ist wie mit der Liebe. Ausnahmslos alle fühlen sich zu wenig gefördert. Und genau die fühlen sich auch zu wenig geliebt. Ist aber dein Missverständnis. In der Liebe, da will ich nicht gefördert werden. Da habe ich schon ziemlich schnell genug von deiner andauernden Förderung. Da will ich auch nicht immer etwas von dir entsprechen. Also wenn du mich liebst, dann bin ich davon schon ganz schön unabhängig. In der Liebe bin ich frei. Mit deiner Liebe habe ich nichts zu tun. Mit deiner Förderung ist das etwas anderes, da komme ich nicht drum herum. Mit deiner Förderung bin ziemlich unfrei. Ich brauche dich auch gar nicht. Mir ist klar, wie ich über dich hinauswachsen kann, wie ich irgendwann etwas größeres sein kann. Ich brauche nur deine Förderung. Und dass ich sie brauche, dass du mich verstehst. Mit Liebe hat das nichts zu tun. Dadurch, dass wir uns verstehen, ist noch nichts gewonnen. Was nicht verstanden wird, kann nicht einfach rekuperiert werden. Für die Liebe ist das ganz gut. In der Liebe bin ich nicht dazu da, verstanden zu werden, sondern gefühlt zu werden! Bei deiner Förderung brauche ich kein Gefühl von dir, sondern nur dein Verständnis. Was kann uns verbinden, wenn nicht die Liebe? Was trennt uns, wenn nicht die Förderung?

Damit du mich förderst, muss ich irgendwelchen Kriterien entsprechen. Bevor ich Kunst kann, muss ich irgendetwas von dir entsprechen. Das Gefühl lässt mich jedenfalls nicht los. Auch wenn ich manchmal etwas anderes behaupte. Ich bin da aber gar nicht so unabhängig, wie ich immer tue. Wenn ich klein bin, dann, dann muss ich froh sein, dass du dich für mich entschieden hast, dass du dich für mich entschieden hast mich zu fördern. Und wenn ich einmal groß bin, dann willst du mich fördern, damit du etwas von meinem Glanz bekommst. Um meine Kompetenz geht es dabei erstmal gar nicht. Das habe ich immer gewusst. Ich weiß nicht, wofür du dich mein Förderer gerade interessierst. Im Moment weiß ich nicht nicht einmal, ob ich für dich noch klein oder schon groß bin. Das ist dann ist auch so ein Metatext, wo die ganze Zeit irgendwelche Dinge zwischen den Zeilen herumschwirren, wie bei einer Unterhaltung mit einem Mäzen oder einer Mäzenin. Ich kann auf eine Begründung lange wArten. Alles was ich kann, ist auf einer Metaebene darüber zu philosofieren, warum ich nicht dabei bin. Und, alles was ich weiß, ich entspreche nicht deren Richtlinien, und das macht mich prompt eigentlich auch ganz glücklich. Förderung hat den Geschmack von Erfolg. Aber Erfolg hat nichts von Förderung. Förderung ist etwas für Bedürftige. Wer Erfolg hat, hat keinen Bedarf. Aber vor allem anderen verlangt es eine Rechtfertigung, einen Sinn. Es geht damit immer darum, dieser Förderung einen Sinn und eine Rechtfertigung zu verpassen. Somit erscheint es gerecht, das kulturelle Objekt wird jenseits seiner Materialität angesehen, weswegen die Förderung deiner Kunst sich oftmals legitimieren und eine Daseinsberechtigung suchen muss. Meine Daseinsberechtigung ist deine Förderung. Dafür ist sie nämlich auch ganz gut. Dann weiß ich nicht nur, dass ich da bin, sondern dass das seine Berechtigung hat. Als ob ich das nötig hätte. Das ist die Suche nach dem Sinn. Förderung verleiht einen Sinn.  Diesen Sinn gibt es dann in einer Altersbeschränkung bis 35 Jahren, regional und national bezogen, oder Sinn macht was dem Herkunftsland, der Nationalität oder seinen bescheidenen Aktionsradius im kreativen Ballungsgebiet hat. Das ist auch dein Kreativwirtschafts-Vokabular. Dir geht es dabei nicht um die Kunst im engeren Sinne, das begreift man schnell. Denn vor allem präsentiert sich da ein seltsamer Kult um das selbstbestimmte, selbstoptimierte, sich aus sich selbst schöpfende Ich der Kreativwirtschaft. Mich interessiert das nicht mehr. Ich mache das nicht, ob ich gefördert werde oder nicht. Das kommt wohl daher, dass ich von beidem schon genug hatte.

Aber auch wenn gerne und oft subversive und kritische Themen gefördert werden, bedeutet das logischerweise nicht, dass du als Institution diese Themen auch in die Praxis umsetzt. Engagement und Selbstausbeutung gehen Hand in Hand. Agenten und Widerstandskämpfer auch, Hand in Hand in den Sonnenuntergang. Und deine Kunst ist eine eine Praktik, in der eingeweihte Akteure und Akteurinnen auf der Basis rechtserheblicher und öffentlich nicht zugänglicher Informationen, die er oder sie sich während der Berufsausübung verschafften, an dem sogenannten Markt handeln. Dauernd muss man spekulieren, warum ein Antrag oder eine Förderung erfolgreich ist. Warum ein Leben erfolgreich ist. In diesem Leben bleibt mir nichts, was ich ablesen kann. Das ist reine Spekulation. Manchmal ist mir danach, bei mir wird dann jeder Erfolg und jeder Misserfolg so weit aufgebläht und durch meine Kommunikationsmittel so verbreitet, als ob es sich um den einzig möglichen Erfolg bzw. Misserfolg handelte. ich verstehe das halt dauernd falsch. Meine Freiheit verstehe ich falsch als grenzenlose Erfolgsgarantie, die ein mögliches Scheitern auszuschließen scheint. Mit dem Scheitern bin ich im Moment auch schon überfordert. Da gibt es auch gar kein Scheitern. Dann habe ich aber auch keinen Erfolg. Erfolg hat nur, wer Alleinstellungsmerkmale besitzt, d.h. wer anders ist als die anderen. Genaugenommen hat keiner mehr Erfolg. Dafür kann man das so sehen, Erfolg als Chance.

Das mit der Förderung geht mir aber trotzdem nicht auf, weil ich keine Rolle für dich spielen will. Dabei kann ich über meine Rolle für dich nur spekulieren. Ich suche mir meine Rollen schon ganz gut aus. Ich suche mir meine Rollen schon selbst aus. Ich sage auch eine Rolle ab, wenn es sein muss. Ich kann aber meine eigene Rolle niemals absagen, die ich für dich spiele. Ich kann sie nicht absagen, weil ich meine Rolle für dich noch nicht kenne, wenn ich zu dir komme. heute sind es daher die Unterhalter und Unterhalterinnen, die die Förderung für sich entscheiden und die Kunstentwicklung bestimmen, die aber gleichzeitig den Medienbetrieb, den sie im Grunde mit dem Kunstbetrieb gleichsetzen, verurTeilen. Manchmal auch zu Unrecht, dann bin ich schlicht voreingenommen. Dass ich aufgrund meiner besonderen Idee und Kreativität gefördert werde, das kann ja wohl gar nicht sein. Das geht nicht auf. Das ist ein Trugschluss, das weißt du so gut wie ich, denn wenn ich individuell bin, dann sind es alle anderen auch. Du entsprichst ja wohl ganz gut irgendwelchen Richtlinien, wenn du bei denen aufgenommen wirst.

Oder bist du vielleicht an irgendeiner Charakteristik interessiert? An etwas, das ich verkörpere, das du als Institution schon immer sein wolltest? Weil ich einen Coolness-Faktor habe oder gar so individuell bin? Oder hat das damit zu tun, dass ich so ein umgänglicher Typ bin, der zwar die Sprache der Straße spricht, aber den man auch mit einem Glas Sekt auf eine Gala stellen kann? Ich bin halt so einer, den muss man mögen. Darum förderst du mich auch nicht. So einen, den alle mögen, den muss man nicht fördern. Für dich bin ich unförderbar. Vielmehr magst du Leute, die keinen Coolness-Faktor haben und das aber von sich glauben. Die sind meistens gar nicht ansprechbar, weil sie so wenig mit sich selbst beschäftigt sind. Aber so zu sein wie ich bin, das ist nicht das, was ich gelernt habe. Das ist etwas, was ich nicht lernen kann. Meine Art, so zu sein, entscheidet über Erfolg und Misserfolg. Meine Art zu sein, wie ich bin, entscheidet über deine Förderung. Und deine Unterstützung und dein Interesse für das, was ich tue. Auch wenn ich gar nichts tue, ist das so, weil du dich eigentlich für meine Art interessierst. Das kommt daher, weil auch du meinst, eine Seele zu haben oder eine Leidenschaft für irgendetwas. Weil du in mir eine besondere Art erkennst. Alles, was du mir damit sagst, ist, dass du zu Liebe fähig bist. Aber alles, was du bist, ist eine Institution. Fangen wir beim einfachsten Punkt an: die Förderung, die Form des Werts, ist ein Ungleichheitsverhältnis, allgemein dargestellt im Eigentumsverhältnis, wesentlich durch das Machtverhältnis. Wer hat mehr davon? Wer hat mehr Ansehen dadurch? Ich finde, deine Förderung macht sich nämlich auch ganz gut in meiner Vita.

Dabei muss ich davon ausgehen, das du, mein lieber Förderer, Teil einer großen Sippe bist. Du bist Teil von einem Netzwerk. Und du förderst mich deswegen, weil du glaubst, meine Art passt in deine Sippe. Aber meine Art ist nichts für deine Sippenhaft. Du magst ja ganz passabel sein als jemand, der mir Geld gibt. Aber mit dir will ich nicht verwandt sein. Ich aber habe schon mein eigenes Netzwerk. Aber das weißt du schon ganz genau. Einsam, wir sind einsam, und doch müssen wir in Netzwerken agieren. Alles, was du fördern sollst, ist jetzt hier. Und das, was ich gefördert haben will, ist jetzt hier. Das ist mein Projektraum, den ich jetzt gefördert haben will, und der ist jetzt hier. Das ist mein Projekt, das ich gefördert haben will. In deiner projektbasierten Rechtfertigungsordnung muss du opfern, was deine Verfügbarkeit einschränkt. Ich verzichte darauf, ein Projekt zu haben, das das ganze Leben dauert, eine Berufung, ein Gewerbe, eine Ehe. Für dich mache ich den Nomaden. Schließlich ist es mein Grad der Vernetzung, der über Aufstieg und Fall der eigenen materiellen Existenz entscheidet, und über deine Förderung. entscheidet. Und niemals willst du meine Zeugnisse sehen. Immer nur meine Vita, und daraus liest du dann, was für einer ich bin. Vielleicht kümmerst du dich mal darum, was man wirklich fördern sollte, mein Kunsthandwerk. Die alten Kunstwerke in deinen Museen sind dort auch nicht deswegen, weil sie der Kreativität berühmter Produzenten entstammen. Das waren deine unbekannten Handwerker. Du hast sie für deine Paläste oder bei Zeremonien gebraucht. Früher hast du dich auch geschmückt mit meinem Handwerk. Du hast ein Handwerk gefördert. Heute sagt man das so nicht mehr. Heute förderst du Hochkultur oder Avantgardekunst. Heute machst du Kulturpolitik. Aber wer Kulturpolitik machen will, sollte zumindest nicht in der Kulturpolitik zu finden sein. Obwohl, deine Kultursparpolitik erzeugt wenigstens den nötigen Druck für die feindlich-ökonomische Landnahme des kreativen Spiels. Deine kreative Standortpolitik kann sich auch nicht sehen lassen. Als ob du tatsächlich Subkultur förderst, das machst du aber de facto gar nicht. Deine verdammte Kreativität macht mich krank. Aber da habe ich etwas, in das ich meine kritische Reflexion investieren kann. Wir sind prächtige soziale und kulturelle Prostituierte. Du kannst nicht mehr in etwas investieren, das materielle Konsequenz hat, sondern sie hat auch eine kulturelle Konsequenz. Wie der Konflikt in den städtischen Körper, so hat er sich auch in den eigenen Körper verlagert. Schauplatz der Auseinandersetzung sind  die erogenen Zonen des gesellschaftlichen Körpers. Unser Stadtteil soll aufgewertet werden, die niederen Körperteile sollen dann auch diszipliniert werden. Du bist ein Städtetypus, der mit der Liberalisierung der Weltwirtschaft und der Auslagerung der physischen Arbeit entstanden ist. Deine immaterielle Arbeit ist mir nicht global genug.

Und dann dieser Mantel der Kulturpolitik. Der steht dir leider ganz gut. Darin sind die Momente des Menschseins zu einem Wesen, das Kultur heißt und woran sich die sogenannte kultivierten Menschen erbauen, die Repräsentation eines Zusammenhalts von Widersprüchen in übermenschlicher Güte. Das habe ich sehr schön gesagt. Aber das ist auch nicht ganz so von mir. Und dies ist niemals ungewollt. Neulich wurde mir von einem Kind ein Keks angeboten gegen Geld. Das war nicht nur für einen guten Zweck. Es sagte, es sei für die Menschheit. Das könnte ja jeder sagen. Und wenn das jeder sagen würde, was dann los wäre. Das kann ich nicht. Das fördere ich nicht. Das esse ich nicht, weil mehr geht ja wohl nicht. Das Kind soll von seinem hohem Ross herunter kommen. Mit diesem Mantel wirst du ein Bürgertum und zum guten Menschen. Damit hast du auch schon einiges angestellt. Diese Reden von hohen Werten, von politischer Kunst, von Wissenschaft als Kunst, und und und. Du bist eine femme fatale, eine Bildungsbürgerin in ihrer Kultur total. Du bist das Totale für die Menschheit. Deine hohe Kultur ist bloße Selbstbehauptung  und du musst dich gegen jede andere Kultur behaupten. Deine totale Kultur konstituiert einen Kulturkampf bis zum Niedergang.

Für mich ist das so: jede objektiv scheinende Macht besteht nur solange, wie Menschen ihre eigene Notwendigkeit verleugnen. Raum und Fläche, Blut und Boden. Das Prinzip ist bekannt: das Böse wird bekämpft. Das Gute muss das übernehmen, weil das Böse die Not verursacht hat und Katharsis heißt eigentlich: das Gute wird zur Allgemeinheit des Notwendigen gekürt. Toll, nicht? Es soll herrschen, was Allgemeinheit des Notwendigen ist. Die kathartische Sinnfälligkeit, die man schlicht als  deine Trieb- bzw. Aggressionsabfuhr beschreiben kann, wird zum Prozess, aus dem du geläutert und veredelt hervorgehst. Dann sagst du als mein Förderer, weil du für das Gute handelst, es gibt so viel Schreckliches auf der Welt, da brauche ich doch nicht auch noch deine schreckliche Kunst zu fördern. Als Förderer bist du einigermaßen infantil. Du willst alle am Händchen packen, indem du niemanden mehr Entscheidungen zutraust, ob sie lieber ein Restaurant aufsuchen, in dem geraucht wird, oder eins, in dem dies nicht der Fall ist. Ich will reichlich Kunstblut sehen und keinen Kindergarten verhandeln. Es soll herrschen, was meinen Förderer zufrieden stellt, institutionalisiertes Erleben, Brot und Spiele. Das macht ja nichts. Im Gegenteil, dann weiß ich immer, wenn ich jemanden zufriedenstelle. So wie, aha, da hab‘ ich schon ein paar Interessenten. Ganz gleich, ob am linken oder am rechten Rand. Für mich bist du keine Alternative zur Politik, so wie du dir in deiner Kultur gewiss wirst, dich darin erkennst und tätig wirst. Damit habe ich nichts am Hut. Meine Kunst ist vielmehr politisch wegen der großen Distanz, die sie zu solchen Funktionen einnehmen kann, und zwar durch die Zeitlichkeit und den Raum, die sie konstituiert, und durch die Art, wie sie sich die Zeitlichkeit zurechtschneidert und den Raum besiedelt. Was meiner Kunst zu eigen ist, besteht in jener materiellen und symbolischen Reorganisation des kollektiven Verhandlungsraumes.

Meine politische Kunst wäre ein Blödsinn in sich. So wie, ja ich bezichtige ihre eigene Freiheit. Aber du bist ist in der Tat politisch und deine Kunst eine politische Tat, wenn auch nicht als Kunst. Du bist immerhin ein Licht im Nichts, im schwarzen Loch des Kapitals. Hochkultur und Avantgardismus. Es gibt immer zwei Methoden, dumm zu sein. Einer von euch ist immer ein Traditionalist und früher war alles besser. Und eine Andere ist immer Modernistin, und das was sie beschäftigt ist brandneu und unererhört und ungehört. Deine Rückkehr in die Kulturpolitik in Konkurrenz zu meiner Straßenkultur und dein Glaube daran, dass jetzt die Zeit endlich gekommen ist, dass das was Neues ist, das ist unser gemeinsames Trauma.

Die Avantgarde irrt sich gewaltig. Die wollen doch immer Neues, Anderes, Unerwartetes, Überraschendes. Aber das sind die, die ihrem Anspruch nicht gerecht werden. Ich irre mich gewaltig. Ich will die ganze Zeit zugucken, wie das aussieht, was sich durch meine Biografie entwickelt hat. Daran braucht man nicht den geringsten Zweifel zu haben, der Zweifel ist da noch zu groß. Die werden erst nach meinem Tod schätzen, was ich gemacht habe. Dabei könnte ich ja sagen, mein Tod ist erst die Vollendung des Kunstwerks. Aber die Avantgarde macht keine Kunstwerke. Heute ist das sowieso anders. Heute sind die Avantgardisten auf der anderen Seite. Das war auch mal anders. Da hatte die Avantgarde die Bühne gestürmt. Und die Kinosäle. Und die Museen. Heute sitzen die alle kritisch im Publikum. Ihr braucht jetzt auch gar nicht so verspannt rumzustehen. Es ist mir lieber, wenn ihr entspannt rumsitzt. Das macht es für mich ja auch nicht einfach. Da sind ja lauter Kreative. Es gab doch Zeiten, da waren die Kreativen auf der Bühne und da unten saßen Leute, die entfremdeter Arbeit nachgingen. Heute macht jeder mindestens ein Foto von der Performance. Das ist so in dieser Kreativstadt. Wir sind alle kulturelle Prostituierte. Ich kenne mich da aus. Ich bin eine Professionelle. Nutten sind die Kennerinnen der Städte. Da sind sie alle Avantgarde. Alle wollen was Neues. Aber keiner ist konsequent. Das sind halt alle keine Märtyrer. Keiner von denen stirbt für die Sache, weil sie für die Aufmerksamkeit leben. Man muss auch gar nicht immer vorne an der Frontlinie stehen. Die Aufmerksamkeit, die kriegst du nicht, du vergessenes Kind.

Und immer wieder wirfst du der Förderung von Gegenwartskunst vor, dass ihre Zuwendung verschwörerischen Charakter annimmt. Deine Kritik ist so alt wie die Avantgarde. Und alles, was du willst, ist eine Zuwendung. Ich bin besorgt, dass deine nahe und fast schon bedrückende Beziehung zum Konsumenten, die Obszönität der Interaktivität und der ganz Partizipationsmythos, sowie der Mangel an formalen Unterschieden zwischen Kunst und Wirklichkeit der Kunst geschadet haben. Also deine künstlerischen Eigenschaften des Künstlers sind schon längst besetzt worden, und dein kategorischer Imperativ der Kreativität wird inzwischen auch von mir erwartet. Deine berühmte avantgardistische Forderung an die Kunst, ihre technischen Verfahren offenzulegen und den Geniebegriff aufzugeben, wollte zunächst eine Gleichstellung zwischen dem Künstler und dem industriellen Arbeiter erreichen. Eine ganze Weile galt deine künstlerische Kreativität nämlich als Verkörperung der wahren, authentischen, genuin menschlichen Produktion, die als positives Ideal der entfremdeten Arbeit entgegengestellt wurde, der die Mehrheit der Bevölkerung in der Moderne nachgeht. Du hast deine traditionelle Würde als vorbildlicher, kreativer oder gar genialer Produzent zu verlieren. Heute scheint deine Produktion dazu verurteilt, in der visuellen Welt der heutigen Massenkultur unterzugehen. Du bist ein exklusiver Konsument von in unserer Kultur immer schon zirkulierenden Dingen. Du kannst auch nicht mehr den Anspruch erheben, am Ursprung seines Werkes zu stehen oder Bedeutungen und Formen originär zu produzieren. Deine Signatur eines Künstlers bedeutet nicht mehr, dass der Künstler einen bestimmten Gegenstand produziert hat, sondern dass er diesen Gegenstand verwendet hat, und zwar auf eine besonders interessante Art und Weise. Das Gleiche kann meine institutionelle Förderung jetzt auch von dir behaupten. Ich dachte mal, mein Widerstand und meine Besetzungen bedeuten dir was. Mein Widerstand gegen die klassischen Arbeitsverhältnisse könnte für mich den Ausstieg aus der Szene bedeuten.  Der Widerstand gegen meine eigene Kreativität, was sich als problematisch erweist, da es sich bei diesem Werkzeug der Arbeit um eine ureigenste Charaktereigenschaft zu handeln scheint. Das hattest du mal gesagt, jetzt ist das für dich aber nicht mehr so einfach. Kreativität ist auch so eine Sache. Am Anfang war das Wort. Heute nennen die das Kreativität. Aber an der Sache an sich hat sich seit den Höhlenmalereien und Gleichnissen nichts geändert. Das Kunstwerk ist das Einzige, das so sitzt, dass es alle Gesichter sehen kann.

Wenn ich immer wüsste, was ich damit sagen könnte, müsste ich das auch nicht mehr machen. Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen.  Kann mir mal jemand einen anderen Diskurs in den Mund legen, das habe ich schon viel zu oft geschrieben. Aber wann es das letzte Mal war, daran kann ich mich leider auch nicht mehr erinnern. Jedenfalls ist mir jetzt auch schon wieder ganz anders, wo ich fertig bin. Jedenfalls anders als davor.  Aber das ist ja meistens so, dass man das selbst schon längst verdaut hat, wenn die anderen noch rumblättern. So ist das mit Aktionskunst, Avantgardeschriften und Künstlertexten. Bitte entschuldige, dass du von einer Gedankensammlung abliest, aber meine Unstrukturiertheit erlaubt es mir im Moment nicht anders. Und konsumerable Texte sind nunmal konterrevolutionär. Ist das Kulturphilosophie? Ganz und gar nicht: denn die hier beschriebene Geschichte wird sofort in ein aktives und konstruktives Verhältnis umgekehrt  und gleichzeitig in eine Dialektik, die so extrem ist, dass sie sich keinesfalls auflösen lässt. Der Satz könnte auch von mir sein. Ja. Aber wenn ich diesen Artikel lese, mit dem langen Titel, habe ich einen wahnsinnigen Spaß, weil ich sozusagen den Autor sprechen höre. Ich lese den Artikel im Jubiläumsmagazin für die EULENGASSE, ich lese, und ein Satz gen Ende sagt: »Hier, die Ergebnisse aus dem Projektraum.« und dann: »Ja Mensch, es gibt so viel Armut in der Welt, und Sie haben einen Projektraum, warum?« Antwort: »Ich bin gern in Projekte verstrickt.«