Der rote Faden

Das Jahresthema als Orientierungshilfe für die Kunstvermittlung

Ein roter Faden gilt im Allgemeinen als Grundmotiv, leitender Gedanke, Weg oder Richtlinie. »Etwas zieht sich wie ein roter Faden durch etwas« bedeutet beispielsweise, dass man darin eine durchgehende Struktur oder ein Ziel erkennen kann. Dies ist nur ein winziger Einblick in die Welt des »roten Fadens«.

»Daß ich erkenne, was die Welt
 im Innersten zusammen hält,…« (Goethe, Faust I V382) ist wohl auch die immer wiederkehrende Frage zum Jahresthemas von EULENGASSE.

Seit 2008 gibt sich EULENGASSE ein Jahresthema, das als roter Faden dient. Es hat einen sehr vielfältigen Zweck. Zum ersten dient es der Ausstellungsplanung. Es zeigte sich aber auch, bevor das erste Mal überhaupt ein Jahresthema entwickelt wurde, dass die Ausstellungen in ihrer Konzeption und Intention, in ihren Inhalten und Werken irgendwie miteinander verbunden waren. Manchmal war die Verbindung sehr eindeutig, manchmal erst auf einen zweiten oder dritten Blick erkennbar, aber meist vorhanden. Daraus entstand die Idee, jedes Jahr ein neues Thema auszurufen. Dies erleichtert die Planung der jährlichen Ausstellungen, da nun bereits im Vorhinein klar ist, was das verbindende zwischen den einzelnen Ausstellungen sein soll. Jede einzelne Ausstellung erhält einen eigenen Titel, der in der direkten Ableitung zum Jahresthema steht. Das Jahresthema wird dabei so weit gefasst, dass ein Spielraum für Interpretationen bleibt – dieser ist für die Konzeption der einzelnen Ausstellungen von außerordentlicher Bedeutung. Sprachwissenschaftlich ausgedrückt: es wird eine abstrakte Kategorie gebildet, die Eigenschaften der Einzelobjekte integriert, diese aber nicht genau benennt. Z.B. ist die Kategorie »Einrichtungsgegenstände« eine Abstraktion der konkreten Begrifflichkeiten »Sofa«, »Tisch«, »Schrank«, »Lampe« usw. – und wir wissen ja, wie unterschiedlich beispielsweise Sofas in Form, Farbe, Stoff sein können!

Krise · Zu Hause · Zu Gast · Perspektivwechsel · Omnibus · Polyversum · 11   (2008 – 2014)

Der Entwurf von Gruppen- und Einzelausstellungen mit Mitgliedern von EULENGASSE und Gästen wird durch das Jahresthema deutlich erleichtert, da der Weg zwar klar umrissen ist, Kurven, Steigungen und gelegentlich vielleicht auch ein Kreisverkehr aber noch nicht betoniert sind (um im Bild zu bleiben). Die Kunstschaffenden erhalten durch das Jahresthema einen Rahmen, mit dem sie sich entweder neu auseinandersetzen oder ihre bisherigen Arbeiten in Bezug bringen können. Die Besucherinnen und Besucher von EULENGASSE erhalten durch das Jahresthema einen Einblick in den Diskussionsstand über zeitgenössische Kunst und Kultur in EULENGASSE und sind eingeladen, sich mit den Ausstellenden und anderen Besuchern auszutauschen und in einen Dialog zu treten. Das Jahresthema kann dabei ein Gesprächsanlass sein.

EULENGASSE mit seinen Mitgliedern ist, wie wir alle, eingebunden in größere Zusammenhänge, unterschiedliche Systeme, in einen gesellschaftlichen Kontext. Auch dieser soll sich in unterschiedlichen Facetten im Jahresthema spiegeln.

Dazu gehört auch die finanzielle Unterstützung der Stadt Frankfurt sowie von Sponsoren. Das Jahresthema soll zeigen, dass EULENGASSE strukturiert, organisiert und professionell, wenn auch ehrenamtlich ihre Arbeit bzw. selbst gewählten Auftrag umsetzt.

Das Jahresthema ist auch die schriftliche Fixierung als jährliche Vergewisserung des gemeinsamen Arbeitens und Zielverfolgung der Mitglieder von EULENGASSE. Dies wird insbesondere bei der Erarbeitung des jeweiligen Jahresthemas deutlich: als ein demokratischer Prozess beginnen in der Jahresmitte die Mitglieder in den monatlichen Projektversammlungen mit Hilfe von verschiedenen Methoden wie z.B. Brainstorming Strömungen und Schwerpunkte herauszufiltern. Alle Anwesenden können aus ihren Lebenswelten, Bezügen und Interessen Themen in die Runde werfen. Manchmal bringt ein Mitglied auch schon eine fixe Idee für ein Jahresthema mit. So entsteht auch ein intensiver Austausch über künstlerische Standpunkte: in diskursiven, längeren und intensiven Runden erläutern die Mitglieder individuelle Haltungen, Erkenntnisse und Wissen, das durch Recherchen im Internet oder Literatur unterstützt wird. Schriftliche Notizen und Rechercheergebnisse werden auch den nicht anwesenden Mitgliedern zur Verfügung gestellt, um jedem die Möglichkeit zu geben, sich in den Findungsprozess einbringen zu können. Die Einigung auf ein Jahresthema hängt ab von der Begeisterung dafür, der Intensität der Diskussionen, der Kompromissbereitschaft aller und einer Vision für die Umsetzung. Danach formuliert eine kleine Gruppe einen Ausarbeitung des Vorschlags, der wiederum in der Projektversammlung besprochen und abgestimmt wird.

Das Jahresthema sowie die grobe Planung der einzelnen Ausstellungen sind zu Beginn des neuen Jahres abgeschlossen. Unser Ausstellungsjahr beginnt mit dem 1. April. – Honi soit qui mal y pense.