Ich würde mir wünschen

Über das Bild vom armen Künstler, über die Kreativität, über alltagsferne Selbstverständlichkeiten, über die Jugend heute.

Wünsch dir was … Kulturelles … Es war schwierig zu entscheiden, ob ich diesen Traum als besonders perfiden Alp oder als verwirrenden Wunschtraum deuten sollte. Sie kennen sicher auf der einen Seite diese Ängste, in einem Aufzug stecken zu bleiben – das kann dann bis zur Vorstellung, mit dem ärgsten Erzfeind darin gefangen zu sein, gehen. Auf der anderen Seite hatten Sie doch sicher auch schon die Fantasie von der guten Fee mit den drei Wünschen.

// Wieso eigentlich drei Wünsche? Drei Wünsche sind entweder viel zu wenige oder viel zu viele: Ist man ein guter Mensch sagt man, man wünsche sich Gesundheit und Weltfrieden, das sind ganz genau zwei Wünsche – was könnte nun Nummer 3 sein in dieser Aufzählung? Ist man nicht ganz so gut drauf, dann braucht man ja viel mehr Wünsche: Immer wenn man sich etwas wünscht, tut sich etwas Neues auf, was man zusätzlich dazu benötigt. //

In diesem Traum, den ich hatte – man muss dazu sagen, es war nach einer Ausstellungseröffnung in der Schirn Kunsthalle, was Einiges erklärt –, träumte ich, in diesem besagten Aufzug festzusitzen, vermutlich in einem dieser grauenhaften Bank Tower, und zu meinem Unglück oder auch Glück stand der Kulturdezernent Felix Semmelroth neben mir. Er wusste nicht, wer ich bin, doch ich wusste zu gut, wer er ist, Stunden zuvor hatte ich mich gemeinsam mit umstehenden Vernissage-Besuchern über seine Sparpläne geärgert. Ich kann es Ihnen verraten, in diesem Traum verfiel ich sofort in Panik (sehr realistisch, wäre in der Wirklichkeit nicht viel anders), während mich Herr Semmelroth sofort beruhigte. Er sagte, dass er schon öfter in diesem Aufzug stecken geblieben wäre, überhaupt kein Problem, es wird gleich weiter gehen. Ich schwitzte bereits. »Ich heiße übrigens Felix Semmelroth, Kulturdezernent in Frankfurt« (Würde er das auch in der Realität sofort sagen?). »Ich weiß«, sagte ich wenig höflich, »ich heiße … und bin ein armer Künstler, übrigens«. Das fand er übrigens überaus interessant und sagte: »Dann lassen Sie uns doch ein Spiel machen, Sie hatten sicher schon immer vor, mir etwas ins Gesicht zu sagen, als armer Frankfurter Künstler. Jetzt ist die Gelegenheit. Wünschen Sie sich einmal so viel, wie Sie wollen von mir.« (Würde er so etwas auch in der Realität sagen?) Ich schaute ihn verblüfft an, dann unterbreitete ich ihm meine Wünsche …
Ich wünschte mir, dass mindestens an einem Tag der Woche alle Frankfurter Museen und Theater kostenlosen Eintritt hätten. Ich wünschte mir sowieso sehr viel gemäßigtere Preise für die hochkulturellen Einrichtungen. Ich wünschte mir, dass Schulen den Auftrag bekämen, noch mehr Exkursionen in besagte Institutionen zu machen, und zwar ohne Kosten verbunden, weder für die Fahrt dorthin noch für den Eintritt. Ich wünschte mir, wenn ich schon gerade dabei war, dass es ein Fach Ästhetische Erziehung in der Schule gäbe, und zwar täglich (na gut, hat eher mit dem Kultusministerium oder der Kultusministerkonferenz zu tun, aber auch das musste mal gesagt werden).

Ich wünschte mir, dass Menschen mit Migrationshintergrund und Bürger/innen mit wenig Bildungskapital sich präsentierter in dieser Frankfurter Kulturlandschaft fühlten. Ich wünschte mir daher mehr Projekte in diese Richtung, und viel mehr niederschwellige Kulturangebote für bildungsferne Menschen. Ich wünschte mir, dass mehr Gelder für Förderprogramme für benachteiligte Kinder und Jugendliche locker gemacht würden, und zwar nicht immer nur für die Big Player in dem Bereich, sondern auch für kleine Initiativen in den Stadtteilen Frankfurts. Ich wünschte mir, dass mehr Künstler/innen, gerade auch mit verschiedenem Background, in Schulen und Jugendeinrichtungen gehen, und gemeinsam mit den jungen Menschen Projekte durchführten. Ich wünschte mir, dass sehr viel mehr Projekte in der freien Kulturszene, im Off Bereich, gefördert würden. Ich wünschte mir, dass es viel mehr Kunst und Kultur im öffentlichen Raum gäbe – hin zu den Menschen, dort, wo sie stehen, ohne Hemmschwelle für sie.

Ich wünschte mir, dass gerade er als Kulturdezernent, die Künstler/innen in Frankfurt ein bisschen mehr in seinen Fokus nähme: Die Lebenshaltungskosten sind in Frankfurt sehr viel höher als in Berlin, doch sicher möchte er auch hier eine reiche, diversifizierte Kulturlandschaft mit vielen kreativen Menschen haben. Ich wünschte mir, dass er das bedingungslose Grundeinkommen zumindest für Künstler/innen einführte, zumindest einmal als groß angelegtes, regionales Projekt. So vieles wünschte ich mir von ihm, ich weiß schon gar nicht mehr alles. Er beobachtete mich die ganze Zeit und sagte nichts dazu, irgendwann holte er ein Notizbuch hervor und schrieb etwas auf, ich weiß nicht was. Als mir nichts mehr einfiel, blickte ich ihn fragend an, er begann:

»Lieber … –« Doch in diesem Moment flackerte das Licht ganz unheimlich, es gab einen kleinen Knall, ich schloss automatisch die Augen – und als ich sie öffnete, war ich alleine in dem Aufzug, der sich wieder bewegte, nach unten fuhr. Was wird jetzt passieren? frage ich mich …