Zwei Künstlerinnen treten in einen Dialog. Mit diesem Satz lässt sich vortrefflich ein Text über das gemeinsame Werk von Carolyn Krüger und Brigitte Kottwitz, die ihre Vornamen zu der Kurzform CaBri zusammengefügt haben, beginnen. Denn dieser Dialog bezieht sich nicht allein auf die gemeinsame Entwicklung neuer Projekte, sondern gibt auch einen Hinweis darauf, dass der Dialog mit dem (Ausstellungs-)Raum, den Ausstellungsbesuchern, aber auch die Einbeziehung von Personen als Mitwirkende in Projekten, die Grundlage der 2002 beginnenden Zusammenarbeit bilden. Die Künstlerinnen sind auf unterschiedliche Medien spezialisiert, Carolyn Krüger ist Filmemacherin und Medienkünstlerin, Brigitte Kottwitz Bildhauerin (Keramik) und Installationskünstlerin. Die gemeinsame Arbeit empfinden beide als „Erweiterung des eigenen Gebietes“, als eine Möglichkeit, Inhalte über ein anderes Medium zu transportieren, oder, um in eine Bildlichkeit zu kommen, welche die Verfasserin bei der Beschäftigung mit dem Werk der beiden Künstlerinnen unweigerlich heimsucht, Ideen in einer anderen „Sprache“ auszudrücken. Die Zusammenarbeit ist projektabhängig. Manchmal ergänzen Werke der einen die Installation der anderen, manchmal entsteht ein Gemeinschaftswerk, dessen Autorenanteil man doch noch jeweils bestimmen könnte, oder im Fall der „Schattenbilder“ (2007), Bilder von Schatten, die Brigitte Kottwitz seit Jahren sammelt, über die Folien gelegt wurden und von ihr übermalt und von Carolyn Krüger überzeichnet wurden, ein gestalterisches Miteinander à la Warhol und Basquiat.

Die Sprache ist selbst ein Medium von CaBri. Sie wird spielerisch eingesetzt. Das Wortspiel, wie in den Werken „Geh-Danke“ (2007), das sich mit dem Gehen auseinandersetzt, oder „Hand-Lesen“ (2008), das den kommunikativen Aspekt der Geste in einer Kombination aus Handabformungen aus Ton und einer Videosequenz miteinander sprechender Hände auf einer als Wandarbeit konzipierten Tischplatte vereint, sind Beispiele dafür. Wortspiele – und die deutsche Sprache eignet sich ganz besonders dazu –, tragen den Humor in sich: Der „Nung-Brunnen“, eine installative „Wortprojektion“ von 2005, entstand im Rahmen einer Open-Air-Aktion in Frankfurt, und bezog sich deutlich auf die Themenstellung „UnOrt“: Abgeleitet von dem Wort Unordnung war die Wortendung „Nung“ als Konstante von einem Wasser/Wörter-Fall umflossen und durch gelbe und rosafarbene kaskadenartig befestigte Gummihandschuhe, auf welche die fehlenden Wortanfänge geschrieben waren, zu vervollständigen. Die grammatikalisch falsche Wortabtrennung konnte vom Betrachter ergänzt werden. Die oft für sich unverständlichen Wortanfänge verführten mit der Anfügung der Silbe „nung“ in einem Aha-Effekt zum Schmunzeln.
Der Humor ist ein konstanter Faktor im gemeinsamen Werk, denn „Lachen ist ein Wir-Gefühl“, so die Künstlerinnen, die beide praktizierende Lach-Yoga-Anhängerinnen sind. So war es nur folgerichtig in einer Gruppenausstellung in der alten Kirche in Hausen im Odenwald statt eines Glockenschlages Gelächter vom Turm schallen zu lassen. Lachen ist ansteckend, und somit verbreitet sich sofort gute Laune beim Hören von Gelächter. Lachen macht glücklich und friedlich. In der Kunst einstmals verpönt, befreite sich diese seit DADA von allem Ernst und erlebte in den sechziger Jahren mit FLUXUS ihren fröhlichen Höhepunkt. FLUXUS war die Befreiung von Konvention und übergroßem Ernst. Ein „Lachender Kirchturm“, so der Titel der Installation (2007) von CaBri hat etwas Freundliches, ist aber auch eine klare Aussage gegen die übergroße Ernsthaftigkeit der Religion (nicht nur der Christlichen). Das Hinaustragen des Lachens aus dem Ausstellungsraum in die Welt gibt der künstlerischen Idee die Möglichkeit, wie Kirchengeläut in den Alltag des Menschen einzuwirken und die vielbeschworene Vereinigung von Kunst und Leben zu verwirklichen.

Die Arbeit der Künstlerinnen steht der Fluxus-Tradition nahe, so berichten sie auch immer wieder von dem Prozess, der jeweils zum finalen Werk führt. Mit den Worten „Die Arbeit war lustig“, beschreibt Brigitte Kottwitz das Entstehen des Videos zur Völkerkommunikation „Ich gebe Dir“ (2003), in dem Mitwirkende sich ein Stück Ton auf die Herzgegend drückten und weitergaben. Je nachdem, aus welchem Kulturkreis sie stammten, wurde das Aufdrücken des Tons auf die entblößte Brust auch eine Reflektion über Körperbewusstsein und damit verbundene Tabus.
Formen aus Ton, die Brigitte Kottwitz schon von Händen und Füßen abnahm, wurden in der Installation „Body-Touch“ (2004) auf alle Körperteile erweitert. Die Mitwirkenden Männer, Frauen und Kinder ergänzten mit den Abformungen einzelner Körperteile eine androgyne Ganzform, wobei jeder Körperteil nur einmal abgenommen werden durfte. Die Videoanleitung dazu steuerte Carolyn Krüger bei. Auch hier waren sogenannte „Hemmschwellen“ zu überwinden, als nur noch die intimeren Körperzonen „frei“ waren.
Auch die Zunge gehört zu den Regionen des Körpers, die ungern gezeigt werden und in manchen Kulturkreisen tabuisiert sind. Mit der Objektinstallation „Leckstelle“ (2008) lösen die Künstlerinnen die Zunge aus dem Verborgenen und stellen sie kranzartig in mehreren plastischen Abformungen um einen Videoprojektionsschirm, der sich in einem fragilen Gleichgewicht befindet, zur Schau. Diese offensive Verletzung möglicher Tabus hinterfragt das persönliche Empfinden des Betrachters im Hinblick auf sexuelle, tierische und sinnliche Konnotationen.

Eine sehr persönliche Gemeinschaftsarbeit ist „Datsche“ (2009), eine ganz in grünem Licht erscheinende multimediale Installation. Der kleine Ausstellungsraum war ausgefüllt durch ein (Fertig-)Gewächshaus, in dem von Brigitte Kottwitz aus verschiedenen Materialien geformte Kaninchen und Hasen befestigt waren, ein Hinweis auf die (inzwischen akzeptieren) Mitbewohner des Gartengeländes, denen auch Krügers Comicfilm gewidmet ist. Es lief eine Toncollage mit den Stimmen von Freunden, die bei einem Besuch über das fern der Stadt an einem See liegende einfache Wochenendhäuschen auf einem Gartengrundstück philosophieren. Sie berichten alle von den Erfahrungen mit dem sehr einfachen Leben ohne fließendes Wasser und Strom (aber Schnaken), fern des Alltags in der Stadt, aber auch von dem Schwimmen im See, von den Pflanzen, den Tieren, von der Atmosphäre. Beim Hören aller 32 Stimmen meint man den See vor Augen zu haben. Gleichzeitig verweisen die Künstlerinnen auf den Dualismus von Natur und Künstlichkeit, denn auch die Umgebung dieser Idylle verändert sich durch Verkehr und Industrie, was sie durch die Mittel und Materialien in der in künstliches grünes Licht getauchten Einrichtung ausdrücken. Die zuvor entstandene „Stadt-Insel“ (2008) thematisiert das Katastrophen-Szenario, das wir alle angesichts des Klimawandels erwarten. Formen aus Kunststoff-Fundstücken, die vorher für keramische Abformungen genutzt worden waren, stellen eine Stadt mit Wohnungen, Industrie und Terminal dar, die als schwimmende Insel Wasserhochständen trotzen könnte, wenn nicht ein durch den Terminal ausgelöster Riss vorhanden wäre. Eine Filmprojektion in der Mitte dieser Insel sichtbar, zeigt einen der rhythmisch-schnellen Bild-Filme Krügers mit Einblicken in die Stadt Frankfurt. Brigitte Kottwitz’ Keramikarbeiten, welche Bewegliches in fester Form erstarren lassen, erfahren Bewegung durch Video und Ton, die Carolyn Krüger beisteuert. So finden verschiedene Geschwindigkeiten zusammen unter dem Dach einer gemeinsamen Aussage. Form, Wort, Bild und Ton fließen gemeinsam.

Isa Bickmann