Jörn Klein interviewt Harald Etzemüller · mit Stills aus dem Pitchvideo

10 Jahre EULENGASSE in einem Magazin – Fangen wir jedoch von vorne an: Wie hat das ganze angefangen? Wie kam es dazu, die ersten Ausstellungen zu machen und den Kunstverein zu gründen?
Es begann eigentlich alles in einem sehr kleinen Rahmen – Aber darüber hat Helga  bereits ausführlich berichtet (siehe »Eine Schuhschachtel wird erwachsen« S. 9).
Jetzt sind 10 Jahre vergangen und viel ist in den Jahren geschehen. Wie kam die Idee auf, das Jubiläum mit einer Veröffentlichung zu feiern?
Es war vor etwa einem Jahr, als wir zu verstehen angefangen haben, dass wir nun 10 Jahre alt werden. Da wurde uns klar, dass wir nicht nur ein Fest feiern wollen, sondern auch unsere bisherige Arbeit dokumentieren wollen. So entstand die Idee, ein Magazin herauszubringen, das eine Art Rückschau  der letzten zehn Jahre kultureller Arbeit – die Organisation von Ausstellungen zeitgenössischer Kunst – darstellt und den Wachstumsprozess der EULENGASSE greifbar macht. Wir wollen auch zeigen, dass wir seit einigen Jahren mit anderen Kunstvereinen, Kunstinitiativen, Galerien, Off-Spaces und natürlich Künstlern in einem regen Austausch stehen. Gleichzeitig möchten wir dem Publikum auch ein schönes Leseheft in die Hände geben.
Ihr habt euch also ganz bewusst gegen das Format eines Buches oder Katalogs und für die Magazinform entschieden?
Genau. Man bekommt bei uns gerne ein Beiheft zur Ausstellung, das ist schön, wenn man die Ausstellung gesehen hat. Aber eine Veröffentlichung als klassische Form der Kunstpräsentation? Wir fanden das langweilig. Daher haben wir uns gefragt: Was könnte jemanden interessieren, der vielleicht schon mal eine Ausstellung in der EULENGASSE gesehen hat? …oder auch noch nicht dagewesen ist? Also, wie kommen wir zu einem anderen Format? So haben wir uns in einer unserer Projektversammlungen für die Magazinform entschieden.
Eine Veröffentlichung stemmen ist für einen kleinen Kunstverein sicher eine große Herausforderung. Wie habt Ihr das Projekt finanziert?
In der Tat war die Finanzierungsfrage eine große Herausforderung: Nur aus den Mitgliedsbeiträgen hätten wir das Magazin nicht realisieren können. Auch mit Hilfe des knapp bemessenen Werbekostenzuschusses vom Kulturamt der Stadt Frankfurt wäre das nicht möglich gewesen, und Finanzierungsanträge bei anderen städtischen Stellen zu stellen: sehr fraglich. Daher mussten wir uns frühzeitig über alternative Finanzierungsmodelle Gedanken machen. Kerstin Koschnicke, ehrenamtlich engagiert im Verein, hat das Thema Crowdfunding dann ins Spiel gebracht. Also Fundraising über eine Internetplattform, die sich an Zielgruppen richtet, die kulturelle Projekte unterstützen. Wir dachten: Das ist eine gute Idee! Das müssten wir eigentlich hinkriegen.
Wie funktioniert Crowdfunding genau?
Auf einer Internetplattform präsentieren sich verschiedene Projekte. Diese nennen ein benötigtes Budget für ein geplantes Projekt. Sie haben dann einen bestimmten Zeitraum (i.d.R. 90 Tage), den Betrag durch Spenden zu sammeln. Besucher können sich auf der Homepage über Art, Konzept und Zielsetzungen der für sie interessanten Projekte informieren, und dann gegebenenfalls direkt online das Projekt finanziell unterstützen. Die Fundings gelangen auf ein Treuhandkonto. Gelingt es dem Projekt innerhalb des festgelegten Zeitraums nicht, den angesetzten Betrag zusammen zu bekommen, erhalten alle die bereits gespendet haben Ihr Geld zurück.
Wie verlief das Crowdfunding für EULENGASSE?
Wir mussten zunächst einmal auch unser Projekt anlegen,
die Summe bestimmen, die Idee und unseren Ansatz aus-
führlich beschreiben. Ein Imagefilm – ein sogenanntes Pitch-
video – ist auch obligatorisch. Die Einstellung eines Projekts ist daher auch mit einem großen Zeitaufwand verbunden. Hier unterstützten uns Kerstin und auch Du Jörn mit der Produktion des Pitchvideos ganz wunderbar, danke!
Zu Beginn ist das Ganze auch super angelaufen. Wir hatten innerhalb kürzester Zeit über 1.000 Euro gesammelt. Dann ebbte es aber auch schnell wieder ab. Man kann zum Beginn einer solchen Aktion Leute aktivieren und die Kampagne über Facebook verbreiten. Jedoch wird innerhalb unserer Mitgliederstruktur Facebook nur bedingt genutzt. Was schlussendlich zum Erfolg geführt hatte, war die Tatsache, dass wir kurz vor Ablauf der Aktion ca. 85% der Gelder gesammelt hatten. Das war der Moment, in dem die Crowd – also die Leute, die auf dieser Plattform sich bewegen – auf uns aufmerksam und aktiv wurden. So haben uns Nutzer, welche EULENGASSE bisher nicht kannten, in der letzten Phase noch hohe Geldbeträge gespendet und letztendlich mit ihrer Hilfe das »Projekt Crowdfunding« für uns zu einem Erfolg gemacht.
Retrospektiv betrachtet, würdest du Crowdfunding auch anderen Kulturprojekten empfehlen?
Wenn man ein größeres Projekt im kulturellen Bereich vor hat, kann Crowdfunding ein Option darstellen. Es müssen jedoch bestimmte Rahmenbedingungen gegeben sein, die so ein Projekt zu einem erfolgreichen werden lassen. Man muss sich von vorneherein im Klaren sein, welche Multiplikatoren man im eigenen Umfeld hat. Ist man ein Kulturverein mit sehr vielen und auch jungen Mitgliedern, die in den sozialen Medien aktiv sind, kann das eine ganz gute Sache sein. Wenn das nicht der Fall ist, kann die Kampagne am Ende scheitern und der Frust ist groß angesichts des betriebenen Aufwands.
Wen oder was erhofft sich der Kunstverein mit der Publikation erreichen zu können?
Das Magazin ist keine Abbildung der Vergangenheit, es erzählt Geschichten – über den Kunstverein, seinen Werdegang, über die Künstler, über Formen der Kunstvermittlung, über Kulturpolitik und Kunstförderung, und auch über Kunstverortung. Es gibt verschiede Beiträge von Kunstwissenschaftlern, von den Künstlern selbst, Beiträge, die ernst sind, Beiträge die schwierig zu lesen sind, aber auch witzige Sachen. Wir haben hier ein vielfältiges Angebot geschaffen, auch für diejenigen, die noch nie in der EULENGASSE waren.  Durch die Mitglieder der EULENGASSE wurde dies ermöglicht, und auch durch ihr großes Netzwerk darüber hinaus. Somit ist zum einen der Weg das Ziel – und das wurde erreicht. Wir wünschen uns natürlich, dass andere Kunstinitiativen und Menschen auf uns aufmerksam werden und Ihnen das Heft auch gefällt. Wenn wir mit dem Magazin weitere Vernetzungen anregen, würde uns das sehr freuen.